Die Eisarena
Der neue Fuchsbau
 
Wie ein Lausitzer in Köln zum Helden wurde
04.03.2011 | 11:24 Uhr von
Irgendwie schien Weißwasser nicht dafür geschaffen, Helden hervorzubringen. Das Malocher-Image haftet der sächsischen Industriestadt bis heute an, obwohl es nur noch wenig Industrie gibt. Die Menschen sprechen nach zwei Sätzen wie vertraute Kumpel miteinander, und in die mythischen Wälder, die sie einst umgaben, fraßen sich die Förderbrücken der Tagebaue. Riesige Maschinen, auf denen der Einzelne unsichtbar wird.

Einer wie der dort geborene Schauspieler Günter Schubert müsste es sein, das Sinnbild der Stadt: Nicht eben groß, gedrungen, offenherzig und im Zweifel auf der Seite derer, die im Moment der gleißenden Erfolge immer gerade zu spät kommen. Oder einer wie Mirko Lüdemann. Mirko Lüdemann?

Der 1,80 Meter große Mustersportler mit dem Dreitagebart und der Intellektuellenbrille ist seit zwei Wochen alleiniger Rekordspieler in der DEL, der deutschen Eishockey-Profiliga. Zweifacher Deutscher Meister, drei Olympiateilnahmen, mehrfach zum besten deutschen Abwehrspieler gewählt - aber selbst in seiner Heimat wird er auf der Straße nur vom „harten Kern“ erkannt. Das ist durchaus gewollt. „Sucht euch einen anderen Helden,“ hatte Mirko Lüdemann die Presse einst wissen lassen. Der Lausitzer ist kein Freund des Rampenlichts und meidet jene öffentlichen Faxen, wie er sie nennt, die für viele Profisportler zur alltäglichen Selbstvermarktung gehören.

Keine Feier ohne Lüde

Man kann ihn als Gegenentwurf zu einem anderen Ur-Kölner Idol im Sport sehen: Lukas Podolski. Den schillernden Fußballer kennt jeder. Aber Lüdemann? Verhält sich zu Podolski vielleicht wie Peter Ramsauer zu Theodor zu Guttenberg. Wie Volker Panzer zu Thomas Gottschalk. Oder eben wie Günter Schubert zu Til Schweiger.

In Köln, wo er seit unerreichten 18 Jahren für die Haie spielt, ist Lüdemann freilich ein Lokalheld. Das Publikum skandiert seinen Namen, er prangt auf Werbeplakaten für einen noblen Herrenfriseur und kann sich vor Ehreneinladungen auf Karnevalssitzungen kaum retten. Dabei kommt ihm entgegen, dass er durchaus Geschmack am Nachtleben in der Rheinmetropole findet. Aber das genießt er lieber als Privatmensch und nicht als „Das-ist-doch-der Lüdemann!“

Ein Kerl zum Bäume-Ausreißen: Mirko Lüdemann als Kölner „Hai“ mit dem Meisterpokal (oben). Die Basis des Erfolgs ist der „Fuchsbau“ in Weißwasser gewesen. Foto: Uli Deck/dpa

Wenn es ihm endlich zu viel wird, und das ist jedes Jahr spätestens nach Abschluss der Spielrunde im April der Fall, zieht er sich nach Weißwasser zurück. Dort genießt er den Kontrast, die Ruhe der Wälder, von denen er seinen ausländischen Kollegen erzählt, wenn er seine Heimat beschreibt. Er, der als 13-Jähriger von der Handelsmarine träumte, um den Eisernen Vorhang zu hintergehen, ist froh, den täglichen Ablenkungen und Ortswechseln zu entfliehen. Und sich dabei herrlich unbeobachtet zu fühlen.

Der achtmalige WM-Teilnehmer spielt dann Fußball in der Weißwasseraner Kreisklassemannschaft und Golf in Ullersdorf. Er besucht, wenn es irgend geht, die Heimspiele der Lausitzer Füchse, bei denen er mit sechs Jahren das Eishockeyspielen begann. Er weiß, was er dem Verein verdankt, er sieht aber auch, dass die Möglichkeiten an dem Standort ausgereizt sind. „Wenn da zwei, drei Spieler fehlen, schlägt sich das nieder. Für mehr fehlen die Ressourcen.“ Die Füchse stehen derzeit am Tabellenende der Zweiten Bundesliga. Lüdemann schmerzt dieser Absturz, aber er macht sich um die Zukunft der Eishockeyhochburg keine Sorgen. Und sei es, weil der Jugend in der Region die Alternativen fehlten.

Rückkehr unwahrscheinlich

Er hat das Glück, zwischen den Extremen an Rhein und Neiße wandeln zu können, das Mittelmaß ist ohnehin nicht seins. Daher kommt auch sein titanischer Ehrgeiz, und hier tut sich ein Riss auf im Sportlerherzen: Aus der nordamerikanischen Profiliga NHL kam zeitlebens kein Anruf. „Ich wäre sofort weggegangen. Auf alle Fälle.“ Das Zeug, sich dort durchzusetzen, hätte er gehabt. Erklären kann er sich die Funkstille von jenseits des Atlantik nicht. Lag es daran, dass er sich nie den branchenüblichen Berater nahm? „Es war halt so.“ Da ist er wieder, der genügsame Lausitzer.

Jetzt wird er erst einmal zwei weitere Jahre in Köln bleiben, eben hat er seinen Vertrag bis 2013 verlängert – ein seltener Vertrauensbeweis für einen 38-Jährigen. Die Voraussetzungen, seine Bilanz auf 1000 Spiele zu treiben, sind erfüllt, darüber sprechen mag er nicht.

Ob er danach in seine ostdeutsche Heimat zurückkehrt, als Zeugnis seiner Verbundenheit? Wohl kaum. Lüdemann hat mehr als die Hälfte seines Lebens in Köln verbracht und er weiß, dass die Erwartungshaltung in Weißwasser groß wäre. Schon mancher alternde Profi hat sich seinen Ruf ruiniert, als er meinte, seine Karriere in den unteren Ligen ausklingen zu lassen. Er kennt seinen Wert und die Kölner tun das auch. Der Typ, der das aufs Spiel setzt, um einmal den Messias zu geben, das ist Lüdemann nicht.

Von Marcel Pochanke

Quelle: SZ-Online.de
2606 mal gelesen
 
1 | obelix | 04.03.2011 @ 18:00
Besonders schön das Bild vom "Fuchsbau" in der SZ. Vielen Dank dafür an die Macher!! Und wenn ihr mal jemanden braucht, der euer Fotoarchiv ordnet, damit ihr wieder Überblick bekommt - meldet euch.
2 | JimPanse | 04.03.2011 @ 18:58
Wirklich eine nette Gattung, dieser Lausitzer Menschenschlag. Deshalb ist es so schön in der Heimat - gerade, wenn man andere, südwestlichere Ecken und deren Einwohner mal kennengelernt hat...
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